So lautet in einfaches Deutsch übersetzt, das Fazit eines Kommentars auf faz.net am 26.5. Unter dem Titel "Die falsche Sehnsucht nach Einfachheit" findet sich dort ein intellektuell verbrämtes Eingeständnis des völligen Scheiterns der ModelliererInnen, verbunden mit einem hilflosen Appell, doch nicht in "Antiintellektualismus" zu verfallen.
»… Komplexe Systeme erfordern unangenehme Dinge wie Statistik, verlangen ermüdende Unterscheidungen wie die zwischen Korrelation und Kausalität. In ihnen interagieren unzählige Einflüsse und Faktoren. Sie reagieren teils empfindlich auf kleinste Parameteränderungen. Das undurchsichtige Ganze lässt sich nicht ordentlich auf überschaubare Teile reduzieren. Die schöne Schwarz-Weiß-Welt der Wahrheiten und Sicherheiten zerfasert in hässliche Grautöne von Wahrscheinlichkeiten und Fehlerabschätzungen.
Wenn „Modellvorhersagen“ nicht eintreffen
Das ist enttäuschend. Die resultierende Frustration ist noch heute zu spüren. Man kann sie etwa im Vorwurf an die epidemiologischen Modellierer erkennen, ihre „Modellvorhersagen“ seien nicht eingetreten. Auch in der Forderung, die Modelle „besser“ zu machen, mehr Parameter zu integrieren, mehr Faktoren. Daraus spricht die Hoffnung, dass die exakte Berechenbarkeit doch etwas Erreichbares ist, wenn man sich nur etwas anstrengt. Dass man die Statistik, die Unwägbarkeiten, hinter sich lassen und Sicherheit erlangen kann—denn wer wollte schon auf der Grundlage unsicherer Aussagen Entscheidungen treffen?«
Eine gute Frage. Was hat man aber anderes gemacht?
»In einem Raum möglicher Zukünfte
Wenn wir in Situationen Entscheidungen treffen müssen, die von Unsicherheiten und unvollständigem Wissen geprägt sind, ist es meist keine Option, einfach abzuwarten, bis man mehr weiß. Das gilt für akute Katastrophenfälle wie Aktiengeschäfte. Stattdessen ersetzt man sein Unwissen durch Annahmen und durchdenkt, was daraus folgen würde. Was würde passieren, wenn sich alles zu den eigenen Gunsten verhält? Was wäre das Schlimmste, das eintreten kann? Dann: Welches Risiko bin ich einzugehen bereit? Kurz, man versammelt Szenarien und sucht dann nach einer robusten Strategie, die in möglichst vielen der wahrscheinlichen Fälle zu einem akzeptablen Ergebnis führt. Für dieses Vorgehen braucht es keine Prognosen und Vorhersagen. Man operiert in einem Raum möglicher Zukünfte. Es ist fast überflüssig festzustellen, dass dabei alles unternommen wird, um das Eintreten eines Worst-Case-Szenarios zu verhindern.«
Der Vergleich mit der Börse hat etwas Bestechendes.
Die Kritiker sind mindestens so schlimm:
»Wenn solch eine Kritik, wie sie etwa in der vergangenen Woche publikumswirksam von prominenten Autoren an den Daten des DIVI-Intensivregisters vorgetragen wurde, selbst vor statistischen Unsauberkeiten und Fehlern strotzt, ist wenig gewonnen. Stattdessen wird der Eindruck erzeugt, dass zugunsten persönlicher Eitelkeiten die Glaubwürdigkeit von Wissenschaft öffentlich untergraben wird.«
Nun haben die "prominenten Autoren" nicht etwa eine Fülle von Fehlern begangen. Sie haben die Kennziffer der verschwundenen Intensivbetten nach einer öffentlichen Kritik unmittelbar und transparent mit dem Hinweis versehen, daß – aus welchen Gründen auch immer – aus dem DIVI-Register Intensivbetten für Kinder herausgerechnet wurden. So funktioniert richtig verstandene Wissenschaft (s. „IRREFÜHRENDE VORWÜRFE“: „WELT“ VERBREITET FAKES ÜBER DIVI-AUSLASTUNG – INTENSIVMEDIZINER ENTSETZT).
»Wie brandgefährlich das ist, zeigt aber eine aktuelle Studie aus Kanada. Demnach spielt Antiintellektualismus eine wichtige Rolle in der Reaktion der Öffentlichkeit auf die Pandemie. Diesen nicht weiter zu füttern sollte uns allen auch in Hinblick auf künftige Krisen am Herzen liegen.«