»Laut WHO-Schätzungen kam es durch die Pandemie zu einem Anstieg von Angststörungen um 26 Prozent und von depressiven Störungen um 28 Prozent.«

Noch immer scheint die Schere im Kopf der mei­sten JournalistInnen ein gewich­ti­ges Werkzeug zu sein. Daß eine Pandemie zu psy­chi­schen Erkrankungen füh­ren soll, ist ein eben­so ober­fläch­li­cher Gedanke wie der, daß Krieg oder Klimawandel dafür ver­ant­wort­lich sei­en. Dabei gehört eigent­lich nur ein unzen­sier­ter gesun­der Menschenverstand dazu, zu erken­nen: Es ist der Umgang von Regierenden, Medien und den Menschen mit gesell­schaft­li­chen Herausforderungen, der krank macht. Auf faz​.net ist am 17.12.22 unter dem Titel "CORONA UND PSYCHE: Im toten Winkel der Pandemie" hin­ter der Bezahlschranke immer­hin zu lesen:

»Weltweit kämp­fen Menschen mit den psy­chi­schen Folgen der Corona-Jahre. Vor allem Kinder haben die Zeit der Isolation und des Homeschoolings nicht gut ver­kraf­tet. Wie lan­ge hal­ten die men­ta­len Probleme an?

… Im Juni die­ses Jahres erschien der „World Mental Health Report“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Dieser lie­fert eine Art Lagebericht zur psy­chi­schen Gesundheit der Weltbevölkerung und ist mit rund 270 Seiten der umfang­reich­ste WHO-Bericht zu die­ser Thematik seit der Jahrtausendwende. Darin wird auch dar­auf ein­ge­gan­gen, wie die Pandemie die psy­chi­sche Gesundheit welt­weit beein­flusst hat.

Im Jahr 2019 leb­ten laut dem Bericht 970 Millionen Menschen auf der Welt mit einer psy­chi­schen Erkrankung. Laut WHO-Schätzungen kam es durch die Pandemie zu einem Anstieg von Angststörungen um 26 Prozent und von depres­si­ven Störungen um 28 Prozent. Waren es 2019 rund 300 Millionen Menschen, die welt­weit mit einer Angststörung leb­ten, so stieg die­se Zahl in der Pandemie auf 347 Millionen. Im Fall von depres­si­ven Störungen führ­te der Anstieg von 193 Millionen im Jahr 2019 zu geschätzt 246 Millionen…

Eine deut­li­che Botschaft ver­mit­teln die Zahlen der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung (DPtV). Die Nachfrage nach einer ambu­lan­ten psy­cho­the­ra­peu­ti­schen Beratung hat laut einer Umfrage unter den Mitgliedern in der Pandemie noch ein­mal zuge­nom­men. Um etwa 40 Prozent ist den Daten zufol­ge der Therapiewunsch im Jahr 2021 ange­stie­gen, und die­ser Trend hat sich fort­ge­setzt. „Die hohe Nachfrage im letz­ten Jahr war lei­der kein vor­über­ge­hen­des Phänomen, son­dern scheint sich zu sta­bi­li­sie­ren. Der Leidensdruck durch Pandemie, Krieg und Klimakatastrophen kommt bei den Menschen an“, sagt Gebhard Hentschel, Bundesvorsitzender der DPtV. Etwas mehr als die Hälfte der Patienten war­ten der­zeit län­ger als einen Monat auf ein Erstgespräch. Auf den Beginn einer Behandlung muss­ten 2021 38 Prozent der Patienten län­ger als sechs Monate war­ten. Im Jahr 2022 stieg die­ser Anteil auf 47 Prozent.

Depressive Symptome bei Kindern weltweit angestiegen

Noch etwas dra­sti­scher sehen die Statistiken für die Nachfrage nach Kinder- und Jugendtherapeuten in Deutschland aus. Laut der DPtV ist sie um 48 Prozent höher als vor der Pandemie. Dies spie­geln Befunde einer Längsschnittstudie wider, die am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf durch­ge­führt wur­de. Zusammen mit ihrem Team erhob Ulrike Ravens-Sieberer zu drei unter­schied­li­chen Zeitpunkten wäh­rend der Pandemie Daten zur psy­chi­schen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Die Ergebnisse wur­den mit den Daten aus den Jahren zuvor ver­gli­chen und im Juni die­ses Jahres im „Journal of Adolescent Health“ ver­öf­fent­licht. Eine nied­ri­ge gesund­heits­be­zo­ge­ne Lebensqualität, gemes­sen unter Einbezug phy­si­scher, psy­chi­scher und sozia­ler Dimensionen, besa­ßen vor der Pandemie gut 15 Prozent der Kinder. In der Pandemie, zum Jahreswechsel 2020/2021, waren es cir­ca 48 Prozent und im Herbst 2021 noch cir­ca 35 Prozent. Mit psy­chi­schen Problemen hat­ten vor der Pandemie etwa 18 Prozent der Kinder zu kämp­fen. Dieser Anteil stieg auf bis zu 31 Prozent in der Pandemie an. Angstzustände wur­den vor der Pandemie bei 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen beob­ach­tet, wohin­ge­gen es in der Pandemie 27 Prozent waren. Ravens-Sie­berer habe die­se Entwicklung so nicht vor­her­sa­gen kön­nen: „Was wir an den Daten sehen, ist, dass die Belastungen, die durch die Krise aus­ge­löst wur­den, bei den Kindern und Jugendlichen ange­kom­men sind. Wenn Sie mich vor der Pandemie gefragt hät­ten, hät­te ich wahr­schein­lich gedacht, dass man die­se Auswirkungen der Pandemie nicht so deut­lich sieht, wie man das dann getan hat.“ Nichtsdestotrotz kön­ne man auch sehen, dass sich, sobald sich die Lebenswelten der Kinder wie­der nor­ma­li­sie­ren, eine Erholung ein­stellt – auch wenn die see­li­sche Gesundheit noch nicht das Niveau wie vor der Pandemie erreicht…«

An kei­ner Stelle des Artikels wer­den die "Maßnahmen" hin­ter­fragt, die zu der­art erschüt­tern­den Ergebnissen führ­ten. Statt des­sen beschränkt man sich auf seich­te Vorschläge des "Ethikrats" wie:

»Zentral ist für den Ethikrat außer­dem die aus dem Gleichgewicht gera­te­ne „inter­ge­ne­ra­tio­nel­le Solidarität“. Die jün­ge­re Generation sei von den Maßnahmen zur Pandemiebewältigung unver­hält­nis­mä­ßig mehr bela­stet. Solidarität zwi­schen den Generationen kann aber nur dann funk­tio­nie­ren, wenn sie „Generationengerechtigkeit ein­schließt, die auf eine inter­ge­ne­ra­tio­nell fai­re Verteilung von Lasten auch bei der Bewältigung einer Pandemie ach­tet“.«

7 Antworten auf „»Laut WHO-Schätzungen kam es durch die Pandemie zu einem Anstieg von Angststörungen um 26 Prozent und von depressiven Störungen um 28 Prozent.«“

  1. Damit die Menschen gesund blei­ben, hat man sie krank gemacht. 

    Aber nun ist der Schaden ange­rich­tet. Das Wichtigste wäre daher nun, dar­aus wirk­lich etwas zu ler­nen. Um damit zu ver­hin­dern, dass sich so etwas wie­der­ho­len kann.

    Allerdings bin ich da alles ande­re als opti­mi­stisch. Meiner Meinung nach wird die Wiederholung sogar aktiv geplant. Dafür, es nicht zu tun, war die­se "Pandemie" ein­fach viel zu pro­fi­ta­bel. Und dann wer­den wir sehen, dass blind zu gehor­chen, das ein­zi­ge ist, was die Menschen gelernt haben.

  2. @aa: Upps, sor­ry, habe ich bei der Menge an täg­li­chen Meldungen über­se­hen. Mein Kommentar darf dann ger­ne kom­men­tar­los in die Tonne 🙂

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