Das "Internationale Beratergremium zu globaler Gesundheit", dem Christian Drosten angehörte, hat offenbar bereits 2019 Christian Drosten "als Wortführer der deutschen globalen Gesundheit" ausersehen.
Das nicht öffentlich tagende Gremium, dem neben einem Vertreter der Bill & Melinda Gates Stiftung weitere "Philanthropen" angehörten (s. Wer sitzt im "Internationalen Beratergremium zu globaler Gesundheit" der Bundesregierung?, formulierte in einer Erklärung:
» Das IAB empfiehlt, dass Deutschland seine Führungsrolle im Bereich globale Gesundheit festigt und ehrgeizig, kreativ und ergebnisorientiert auf Grundlage eines partnerschaftlichen Ansatzes ausübt.…«
Der Begriff "Führungsrolle" kommt in dem Dokument dutzendfach vor. Für Afrika geht es darum, die Konkurrenz im Auge zu behalten, denn
»Japan baut seine Rolle in Afrika zurzeit aus, und China ist ein wichtiger Akteur auf dem afrikanischen Kontinent mit seiner neuen Agentur für Entwicklungszusammenarbeit und auf der Suche nach trilateralen Partnerschaften. Frankreich engagiert sich in der Sahel-Allianz. Deutschland sollte die Ernennung eines Botschafters für globale Gesundheit in Betracht ziehen, der sich für eine integrierte Agenda für globale Gesundheit in Afrika einsetzt.«
Welche Rolle Afrika für die Etablierung und Vermarktung diverser Testkits durch Christian Drosten und die Firma Tib-Molbiol von Olfert Landt spielte, kann hier nachgelesen werden.
Private stärken, "Migration von Gesundheitspersonal" fördern
Ganz allgemein sollte Deutschland
»… die Möglichkeiten für neuartige Ansätze und Partnerschaften z. B. mit der Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Stiftungen und dem Privatsektor prüfen.«
Anders als die inhaltsleere Formulierung einer Partnerschaft Deutschlands mit der Wissenschaft sind die beiden letzten Faktoren von Interesse. Als eine weitere Aufgabe wird benannt:
»Etablierung als führende Kraft bei der verantwortungsvollen Migration von Gesundheitspersonal.«
Damit ist nicht etwa das kubanische Modell von Gesundheitsbrigaden aus medizinischem Personal zur Unterstützung ärmerer Länder (und etwa im Frühjahr Italiens) gemeint, sondern im Gegenteil die Forcierung der Abwerbung von ÄrztInnen und PflegerInnen für den deutschen Markt. Zwar wird "von der aktiven Abwerbung von Gesundheitspersonal aus Entwicklungsländern" abgeraten, das solle aber über einen Kodex für "freiwillige Praktiken für die ethische Anwerbung von Gesundheitspersonal" geregelt werden. Konkret gelobt wird hingegen:
»Ebenso wichtig sind verlässliche Bedingungen für Gesundheitsfachkräfte, die nach Deutschland kommen. Im Jahr 2018 kündigten das Bundesministerium für Gesundheit, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Maßnahmen an, um mehr Pflegekräfte nach Deutschland zu holen.«
Wie wir wissen, kamen die alle aus wohlhabenden Ländern, die Fachpersonal im Überfluß haben.
Koordination zwischen dem Gesundheits- und Sicherheitssektor
Neben schönen Worten zu "Bekämpfung von Diskriminierung,
Ausbeutung und Gewalt sowie Gewährleistung umfassender reproduktiver Gesundheit und Rechte" wird es dann konkreter und aus heutiger Sicht aktueller:
»Deutschland sollte sich ferner für eine entschlossene Reaktion auf kritische Krankheitslasten und eine bessere globale Epidemievorsorge einsetzen. Dies könnte u. a. durch eine verstärkte Koordination zwischen dem Gesundheits- und Sicherheitssektor, der Rolle des Privatsektors,
der Nutzung der deutschen Rolle im UN-Sicherheitsrat sowie bilateraler Abkommen erreicht werden.«
Ein schlechter Witz ist diese im Original fett gedruckte Formulierung:
»Deutschland ist in der Umwelt- und Klimaforschung und ‑technik sehr stark. In diesen Disziplinen könnte eine intensivere Zusammenarbeit mit der globalen Gesundheitsforschung dabei helfen, drängende Herausforderungen der planetaren Gesundheit, wie z. B. die gesundheitlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung oder den Klimawandel umfassender anzugehen.«
Rolle für Drosten
»Zur Förderung von Innovationen empfehlen wir die Einrichtung eines Leuchtturmprojekts zur globalen Gesundheit: ein multidisziplinäres Global Health Innovation Institute für Deutschland.«
Wie gut, daß es da ein Berlin Institute of Health gibt. In dessen Aufsichtsrat sitzen u.a. Stefan Oelrich, Mitglied des Vorstands der Bayer AG (und zwar für das Land Berlin!) und Sonja Jost, Geschäftsführerin der DexLeChem GmbH.
»Im Rahmen einer „Privaten Exzellenzinitiative“ hat die verstorbene Unternehmerin und Stifterin der Stiftung Charité, Johanna Quandt, Fördermittel bereitgestellt, um den Aufbau des BIH und die Etablierung der translationalen und nutzenzorientierten Medizin in Berlin zu unterstützen. Diese Fördermittel werden von der Stiftung Charité verwaltet.«
So informiert das Institut selbst.
Update (11.11.21); Interessanterweise gibt es diese Textstelle nicht mehr. Sie läßt sich hier aber rekonstruieren: web.archive.org.
»Prof. Dr. Christian Drosten hat seit dem 1. März eine W3-BIH-Professur für Virologie an der Charité inne.«, so die Charité 2017. Für ihn ist 2019 eine Rolle vorgesehen, auch im Original fett gedruckt:
»Um eine starke, einflussreiche Stimme auf globaler Ebene zu haben, muss Deutschland die Förderung und Entwicklung der eigenen Gemeinschaft sicherstellen, sodass eine talentierte Gruppe von Führungskräften entsteht, die als Wortführer der deutschen globalen Gesundheit fungiert…
Diese Wortführer werden nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der Politik, der Interessenvertretung und der Praxis sowie in einer Reihe von Disziplinen und Fachgebieten aktiv sein.«
Stiftungen und Industrie
Schließlich wird die Katze aus dem Sack gelassen:
»Große deutsche Stiftungen und die Industrie könnten bei der Finanzierung von Forschung, Zentren, Studierenden und akademischen Positionen eine wichtige Rolle spielen. Die Geldgeber sollten einen konsequent interdisziplinären Ansatz fördern und die klinische Forschung, Biomedizin und Biowissenschaften, Epidemiologie, Umwelt- und Klimawissenschaften, Politik- und Sozialwissenschaften einbeziehen.«
Besonderes Augenmerk verdienen die letzten Punkte. Nach Ansicht des Beratergremiums der Bundesregierung soll die Industrie "eine wichtige Rolle spielen" in Fragen der Wissenschaften, die sich auf die Klimapolitik und das gesellschaftliche Leben auswirken. Nicht, daß die Regierung Anderes im Sinne hätte, doch verblüfft die Offenheit, mit der dieser Anspruch hier formuliert wird.
Investitionen im Ausland statt "Entwicklungshilfe"
Peinlich nimmt sich in diesem Kapitel diese Formulierung aus:
»Das IAB empfiehlt eine Erhöhung der deutschen Gesamtentwicklungsausgaben, um die angestrebte ODA/BNE-Quote von 0,7 % zu erreichen, wovon mindestens 0,1 % in den Bereich Gesundheit fließen sollten. Dies ist ein entscheidender Schritt in Richtung Glaubwürdigkeit in der globalen Gesundheit.«
ODA steht für "Official Development Assistance", also die "Entwicklungshilfe", BNE für Bruttonationaleinkommen. Die BRD hatte wie andere Industriestaaten 1970 vor der UNO-Vollversammlung versprochen, 0.7 % des BNE für "Entwicklungshilfe" bereitzustellen. 2019 war dieser Anteil auf 0,60 % gesunken, während Schweden, Norwegen und Dänemark den Satz einhielten oder übertrafen.
Keine Verschwörung, sondern offiziell vorgeschlagene Politik ist dies:
»Um die vorhandenen Humanressourcen zu nutzen, könnte Deutschland regelmäßig deutsche Staatsangehörige, die in verschiedenen multilateralen Organisationen arbeiten, zusammenbringen und ein solches Netzwerk strategisch aufbauen und nutzen.«
(Hervorhebungen nicht in den Originalen.)
"planetare Gesundheit". Das ist einfach nur verrückt. Wenn Leute verhungern, hilft es ihnen nicht, wenn sie dabei keinen Schnupfen haben.