So überschreibt faz.net am 1.11. einen Artikel mit der Dachzeile "Diplomatie mit allen Mitteln". Interessanterweise lautet der Titel der Druckausgabe "Die Macht der Hoffnung". Es geht darum, "Chinas Impfstoffdiplomatie" anzuprangern. Das fällt den fünf AutorInnen auf die Füße.
»Nicht nur Peking nutzt das Rennen um den Impfstoff gerade als probates Mittel, um gezielt Außenpolitik zu betreiben. Doch die Volksrepublik verknüpft Erprobung und spätere Verteilung ihrer Vakzine besonders deutlich mit ihren politischen Interessen in der Welt. Vor allem in Entwicklungsländern, die es schwer haben könnten, rechtzeitig an andere Impfstoffe zu gelangen, wird China dabei die Bedingungen diktieren können. Und selbst wenn ein Land nicht gleich zahlen kann, ist das für Peking kein Hindernis. In einem Gespräch mit Vertretern aus Lateinamerika und der Karibik hat Außenminister Wang Yi Kredite in Höhe von einer Milliarde Dollar für den Erwerb chinesischer Impfstoffe zugesagt. So jedenfalls hat es Mexiko mitgeteilt.«
Auf dem Papier sind alle gleich
»Die Frage, wie ein Impfstoff weltweit verteilt werden soll, sobald er einmal in den Leitmärkten Amerika und Europa zugelassen wird, ist längst hochpolitisch geworden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verlangt, dass Impfstoffe nicht nur dort verfügbar sein dürfen, wo sie entwickelt wurden. Es müsse sichergestellt werden, dass die Vakzine fair verteilt würden, sagte eine Sprecherin der F.A.Z. „Alle Länder müssen Zugang zu dem Impfstoff haben“, unabhängig von deren Finanzkraft. Auf dem Papier ist das längst sichergestellt…
Staatschef Xi Jinping sagte schon im Mai vor der Generalversammlung der WHO, China werde die im eigenen Land entwickelten Impfstoffe als „globales öffentliches Gut“ bereitstellen. Was damit gemeint ist, sagte er nicht. Es bedeutet jedenfalls nicht, dass die Vakzine im großen Stil kostenlos abgegeben oder ohne Patentschutz auf den Markt gebracht würden.«
Gut, daß das die Pfizer, Curevac und andere Konzerne ganz anders handhaben…
»Auch gegenüber afrikanischen Ländern präsentiert sich China öffentlich gern als helfende Hand. Im Oktober wurden Botschafter fast aller afrikanischen Länder zu einer gemeinsamen Besichtigung einer Impfstofffabrik des staatlichen Hersteller Sinopharm eingeladen. Die Diplomaten sind es gewohnt, dass Peking für seine Kooperation demonstrative Dankbarkeit einfordert. Die Botschafter kamen dem in Interviews mit dem Staatsfernsehen nach. Die Seuchenschutzbehörde der Afrikanischen Union ist nach eigenen Angaben noch im Gespräch mit Peking über die Bedingungen einer Zusammenarbeit. Den Anrainerstaaten des Mekong-Flusses hat China ebenfalls „prioritären“ Zugang zu Impfstoffen versprochen, genauso Ländern wie Nepal, Afghanistan und den Philippinen.«
Wiederum völlig anders geartet ist die überaus zurückhaltende Dankbarkeit deutscher und europäischer Regierungen für das selbstlose Wirken westlicher Pharmakonzerne (siehe Kein Product Placement. Die Ware ist die Nachricht selbst).
(Chinas?) Verträge sind geheim
»Zwar präsentiert sich China gern als Vorkämpfer des Multilateralismus, doch der allergrößte Teil seiner Impfdiplomatie findet bilateral statt. Geheimhaltungsklauseln sorgen dafür, dass die Konditionen kaum bekannt werden.«
Zu den Verträgen der EU ist am 27.11. auf zeit.de zu lesen:
»Johnson & Johnson. Sanofi-GSK. AstraZeneca. BioNTech und Pfizer. CureVac. Moderna. Mit diesen Pharmaherstellern hat die Europäische Union bereits Verträge über die Lieferung eines möglichen Corona-Impfstoffs verhandelt, insgesamt über mehr als eine Milliarde Dosen. Die EU-Kommission will damit sicherstellen, dass alle Bürgerinnen und Bürger sich impfen lassen können, sobald ein geeignetes Präparat zugelassen und produziert wird. Genau diese Strategie, die einen Mangel ausschließen will, stößt aber auf Kritik. Denn die Kommission agiert intransparent: Die Verträge sind geheim, das EU-Parlament weiß nicht, wer sie im Auftrag der Kommission verhandelt hat und welche Verbindungen diese Personen zur Pharmaindustrie haben könnten. Auch die Kosten sind noch nicht bekannt, wobei manche Hersteller bis zu zehnmal mehr Geld pro Dosis verlangen, als andere – was Befürchtungen weckt, arme und reiche Mitgliedsstaaten könnten unterschiedliche Impfstoffe erhalten.«
Auch Rußland bekommt sein Fett weg, und über die USA heißt es:
»[Es wurden] Milliardensummen an Pharma- und Biotech-Unternehmen vergeben, um im Gegenzug privilegierten Zugriff zu bekommen, wenn sich deren Impfstoffkandidaten als erfolgreich herausstellen. In den meisten Fällen, zum Beispiel bei den Unternehmen Moderna, Johnson & Johnson und auch einigen ausländischen Unternehmen wie Sanofi und Astra-Zeneca, finanziert die Regierung dabei sogar die Entwicklung der Vakzine mit.«
Die Fünf von der FAZ haben anscheinend nichts von den Milliarden-Subventionen von EU und Bundesregierung für Pharmakonzerne gehört.
»Europa denkt zuerst an sich
Bei der ersten Geberkonferenz im Mai klang es noch so, als würden die ersten Impfstoffe rein nach Bedürftigkeit verteilt: Erst medizinisches Personal, dann Risikogruppen, und zwar global. Doch als dann die ersten Unternehmen mit klinischen Studien begannen, setzte der Wettlauf ein. Wer sichert sich die meisten Dosen? In Europa preschten Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande vor. Sie schlossen Mitte Juni den ersten Vertrag.
Danach zog die Kommission die Initiative an sich, um zu verhindern, dass daraus ein Rennen wird, das Europa abermals spaltet. Alle Verträge, welche die Kommission seither mit Herstellern geschlossen hat, folgen demselben Muster. Sobald die Lieferungen beginnen, werden die gemeinsam bestellten Impfdosen nach dem Bevölkerungsschlüssel auf die EU-Staaten verteilt. Die Linie ist klar: Auch Europa kümmert sich erst einmal um sich selbst. Und danach um andere.
Inzwischen hat die EU-Kommission sechs Hersteller unter Vertrag. Darunter sind Biontech, der schwedisch-britische Konzern Astra-Zeneca und Moderna aus Massachusetts. Die drei Unternehmen haben zusammen 860 Millionen Impfdosen zugesagt, die schon im nächsten Jahr zur Verfügung stehen sollen. Bei zwei Impfungen pro Person reicht das genau für jeden der 430 Millionen Europäer. Was dann noch oben drauf kommt, ist die globale Reserve der EU für ärmere Staaten.
Im besten Fall könnten das im kommenden Jahr Impfdosen für rund 250 Millionen Menschen sein. Der größte Teil davon dürfte an Länder in Afrika gehen, ein kleiner nach Asien. Natürlich reicht das nicht, um den globalen Bedarf zu decken. Wer zum Zuge kommt, wird deshalb auch politisch entschieden. Mitgliedstaaten mit traditionell engen Banden nach Afrika werden Lieferungen zur Beziehungspflege nutzen. Natürlich knüpfen sich daran auch Erwartungen – etwa dass Staaten mehr dafür tun, die irreguläre Migration nach Europa einzudämmen.«
Da also liegt der Hund begraben.
Der Titel "Die Macht der Hoffnung" macht hellhörig. Ob da ein Artikel folgt: "Tag der Freiheit". "Sieg des Glaubens" wäre auch nicht schlecht.