Es sind besonnene Worte, die der Bürgermeister des thüringischen Neuhaus am Rennweg auf der Seite des Ortes formuliert:
»In diesen Tagen hört man sehr oft die Frage nach Schuld oder den Vorwurf von Schuld.
Schuld am Vorhandensein des Corona-Virus, Schuld daran, dass er immer noch nicht weg ist, Schuld an der hohen Anzahl der Infektionen, Schuld am Volllaufen der Krankenhäuser und Intensivstationen, Schuld an der nicht zufriedenstellenden Wirkung der Impfungen, Schuld am Nichtvorhandensein von genügend Impfstoff, Schuld an der Überlastung der Hausärzte…
Ich denke, es ist nicht eine Frage der Schuld. Ob jemand schuldig ist oder nicht, können bekanntlich in Deutschland nur Gerichte klären.
Vielmehr ist es doch eine Frage nicht eingelöster Versprechen und nicht erfüllter oder enttäuschter Erwartungen.
Auf allen Ebenen – vom Bund und Land über Landkreise bis zu den Gemeinden, in Unternehmen, in Familien und im Freundeskreis – wird darauf gewartet und gehofft, dass das Corona-Virus endlich wieder von der Bildfläche verschwindet und wir alle wieder unser vorheriges Leben zurückerhalten, wenn wir nur dies oder das machen, dies oder das nicht machen… Oder das jemand vorbeikommt und uns das abnimmt…
Von vielen Stellen wurden diese Erwartungen und Hoffnungen noch durch Versprechen genährt und unterstützt. Versprechen, die eigentlich nicht hätten gemacht werden dürfen. Versprechen, die einfach nicht gehalten werden konnten.
Menschen gehen sich auf der Arbeit oder im privaten Bereich an, werfen sich gegenseitig vor, an etwas Schuld zu sein. An Infektionen und Quarantänemaßnahmen, an Schließungen von Einrichtungen, an verschobenen Operationen – die Aufzählung wäre beliebig fortsetzbar.
Die Ausmaße der Enttäuschung und Wut, oft auch der Machtlosigkeit oder Handlungsunfähigkeit, manchmal aber auch der Angst sind aktuell ebenfalls auf allen Ebenen erlebbar und spürbar.
Politik und Medien pushen das Ganze noch, Aktionismus und Paniksituationen sind die Folge.
Kein Wunder: Die ganze Welt ist betroffen, niemand war auf so etwas vorbereitet und bisher hat auch noch niemand auf der Welt ein Patentrezept gefunden – auch nach nunmehr zwei Jahren nicht.
Ich gebe zu: Ich habe auch keinen Masterplan.
Ich kann nichts versprechen, ich kann nichts in Aussicht stellen.
Ich verpflichte niemand zu etwas, ich empfehle niemand etwas.
Weil ich es einfach nicht weiß.
Ich rate nur jedem, der es auch nicht weiß, es ebenso wie ich zu halten und es einfach zuzugeben, dass man keine Lösung zu bieten hat.
Solange den sogenannten Heilsbringer niemand hat, sollte man sich auf allen Ebenen mit Schuldvorwürfen unbedingt zurückhalten. Die lösen das Desaster nämlich nicht auf, die verlagern nur die Verantwortung und machen blind.
Ich rate jedem auf allen Ebenen, maßvoll mit Vorwürfen, Beschimpfungen und Anordnungen umzugehen, man sollte sich auch künftig noch in die Augen sehen können, allen Meinungsverschiedenheiten zum Trotz. Unbedingt ist die Verhältnismäßigkeit der Mittel zu wahren.
In solchen Situationen hat niemand mehr Recht als der andere.
Hass und Hetze zerstören sonst unser ohnehin bereits beschädigtes soziales Gefüge und unseren inneren Frieden im Land, und auch in unseren Gemeinden und in unseren Familien.
Schon die Aussage, ein Landkreis und damit die in ihm lebenden Menschen, wären ein Hotspot, ist doch bereits eine Diskriminierung. Wenn das ganze Land „ein einziger Ausbruch“ ist (Lothar Wieler, RKI), dann sind die Sonneberger nicht mehr oder weniger „unbesonnen“ als die Bewohner anderer Landkreise. Das Corona-Virus kennt keine Landkreis- und keine Ländergrenzen.
Wir müssen aufhören, auszugrenzen und abzugrenzen, wir müssen das alle gemeinsam durchstehen. Wir müssen Kräfte, Kenntnisse und Erfahrungen bündeln.
Solange es kein 100%iges Gegenmittel gibt, müssen wir in die Forschung investieren, die Kapazitäten der Krankenhäuser erhöhen und die Hausärzte stärken und unterstützen.
Damit jedem – und ich meine wirklich jedem – geholfen werden kann, der krank wird und ärztliche Hilfe braucht. Egal ob geimpft oder ungeimpft, egal ob leider Corona, leider Herzinfarkt oder leider Beinbruch.
Die sogenannten Triagen sind nicht erforderlich wegen Geimpften oder Ungeimpften.
Unser Gesundheitswesen ist schon so weit heruntergefahren, dass Opfer von größeren Naturkatastrophen oder der Corona-Pandemie Angst haben müssen, ob sie stationäre Aufnahme finden oder nicht.
Wir müssen zuallererst aufhören, den Abbau von Krankenhausbetten zu fördern.
Sie glauben das nicht? Tatsächlich ist es so. Wenn Krankenhausbetten reduziert werden, gibt es Förderung dafür, aus dem Krankenhausstrukturfonds.
In der Verordnung heißt es:
„Des Weiteren wird nunmehr der Abbau von krankenhaus-planerisch festgesetzten Betten nach Anzahl der Verminderung pauschal gefördert. Ausgehend von einer Bagatellgrenze von bis zu 10 Betten stellen sich die Förderungen wie folgt dar:
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- 11 bis 30 Betten: 4.500 € je Bett
- 31 bis 60 Betten: 6.000 € je Bett
- 61 bis 90 Betten: 8.500 € je Bett
- Mehr als 90 Betten: 12.000 € je Bett“
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Im Gesundheitswesen geht es an vielen Stellen nur noch betriebswirtschaftlich orientiert und unternehmerisch denkend zu. Krankenhäuser müssen sich „rechnen“.
Ich finde, das ist der eigentliche Notstand und den haben wir in unserem Land selbst geschaffen. Nachvollziehbar auch direkt vor unserer Haustür in Neuhaus am Rennweg.
Stellen wir gemeinsam nicht mehr die Frage nach der Schuld. Grenzen wir niemanden aus, weil er etwas nicht genauso macht, wie wir es selbst machen.
Nehmen wir einfach zur Kenntnis, dass der andere auch berechtigte Gründe haben kann. Ziehen wir in Erwägung, dass der andere eventuell auch Recht haben könnte.
Achten wir einfach unser Grundgesetz:
Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
Üben wir besonders Toleranz und haben Verständnis für unsere Mitmenschen,
vor allem für unsere Kinder.
Damit wäre eine gute Grundlage für unser Zusammenleben gelegt.
Euer Bürgermeister
Uwe Scheler«
Uwe Scheler ist Mitglied der Partei "Die Linke".
Mein Gott, hat DER Eier! Und Rückgrat!
Wollen wir hoffen, dass ihm kein Parteiausschlussverfahren droht…
@Westi: Hier https://www.neuhaus-am-rennweg.de/m/politik/mitglieder.php?gremium=7830 firmiert der Bürgermeister Uwe Scheler als fraktionslos. (Und das würde mich auch nicht wundern.)
Übrigens: Ich habe ihm gerade eine E-Mail geschrieben.
Ich kopiere sie hier einfach mal rein (falls das überflüssig ist, bitte ich aa, das wieder rauszunehmen;
und gern wüsste ich, wie man Text hier verkleinern kann, ob mir das wohl jemand beibringen könnte? Mein Blog-html-Dings mit "small" funktioniert hier leider nicht):
Sehr geehrter Herr Scheler,
Sie haben in Ihrer Funktion als Bürgermeister der Stadt Neuhaus am Rennweg kürzlich auf der Bürgermeisteramts-homepage eine persönliche Meinungsbekundung zum Thema "Corona-Politik und ihre Folgen" publiziert (https://www.neuhaus-am-rennweg.de/m/texte/seite.php?id=203444), die mich außerordentlich berührt hat, weil sie m.E.
ehrlich ("Ich gebe zu: Ich habe auch keinen Masterplan. Ich kann nichts versprechen, ich kann nichts in Aussicht stellen. Ich verpflichte niemand zu etwas, ich empfehle niemand etwas. Weil ich es einfach nicht weiß"),
vernünftig ("Ich rate jedem auf allen Ebenen, maßvoll mit Vorwürfen, Beschimpfungen und Anordnungen umzugehen, man sollte sich auch künftig noch in die Augen sehen können, allen Meinungsverschiedenheiten zum Trotz. Unbedingt ist die Verhältnismäßigkeit der Mittel zu wahren")
und menschlich ("Grenzen wir niemanden aus, weil er etwas nicht genauso macht, wie wir es selbst machen. Nehmen wir einfach zur Kenntnis, dass der andere auch berechtigte Gründe haben kann. Ziehen wir in Erwägung, dass der andere eventuell auch Recht haben könnte. Achten wir einfach unser Grundgesetz") ist.
Von offizieller politischer Seite habe ich solche Worte in den fast zwei Jahren "Pandemie" noch nie gelesen oder gehört.
Ich danke Ihnen von ganzem Herzen dafür - und (das muss man heutzutage ja leider hinzufügen) für Ihren Mut, diese Worte öffentlich zu äußern!
DANKE !
Vielleicht erlauben Sie mir noch zwei persönliche Anmerkungen:
1.
Mein Mann starb vor 11 Jahren im Alter von gerade einmal 47 Jahren nach 15 entsetzlichen Monaten (auch voller Ärztefehler) an Schmerzen durch und Angst vor seiner Krebserkrankung. Ich hielt ihn, als sein Tod trotz allem für uns beide überraschend kam, im Arm (und war auch zuvor fast immer bei ihm - die "Corona-Krankenhausbesuchsregeln" hätten uns von Anfang an jede Chance auf Überleben genommen!).
Wir waren uns sehr verbunden. Und so war sein Tod unser Tod.
Es hat viele Jahre gedauert, bis ich danach am Leben wieder ein wenig Freude empfinden konnte. (Unter anderem durch etwas, das ich während unserer Liebe nie getan hatte: Opernbesuche.)
Seit diesem Tod dachte ich, das größte Grauen meines Lebens hinter mir zu haben (und ich hatte zuvor schon ein paar Tode erlebt).
Aber seit bald zwei Jahren merke ich: Ich habe mich getäuscht.
Das größte Grauen meines Lebens erlebe ich jetzt, da weltweit und auch hierzulande die Regierungen und die regierten Menschen in vollkommen irrationale Gesundheitstotalitarismen und Dauerkontrollregime abgeglitten sind.
Und auch das letzte Fünkchen Freude ist mir nun durch dieses totalitäre Regime genommen: Ich darf in keine Oper mehr.
2.
Und ab dem kommenden Samstag hat der Berliner Senat über mich ein Berufsverbot verhängt: 2G gilt hier dann in "Volkshochschulen, Einrichtungen der Erwachsenenbildung, Musikschulen u.a.".
Nach dem Tod (und der parallelen Vernichtung meines Uni-Institutes aus Einsparungsgründen) habe ich mich auch beruflich völlig umorientieren, meine wissenschaftliche Karriere kurz vor der Habilitation aufgeben und in die schlecht ausgestattete (und schlecht bezahlte) "Erwachsenenbildung" umsatteln müssen: Ich bin Deutschdozentin in Integrationskursen geworden.
Ab Samstag darf ich in Berlin in diesem Beruf nicht mehr arbeiten, weil der Berliner Senat über "Ungeimpfte" an diesen Arbeitsstätten ein Berufsverbot in Gestalt der 2G-Regel verhängt hat.
(Ich persönlich habe noch das Glück, aktuell in einem online-Deutschkurs zu arbeiten, aber etliche hundert, wenn nicht tausende meiner KollegInnen trifft das ab dem 27.11. bis ins Mark. Mich haben heute von einigen Kolleginnen Suizidankündigungen erreicht.)
Lieber Herr Scheler, Sie sehen, WIE wichtig und dringend Worte wie die Ihren sind!
Bleiben Sie so klarsichtig, so mutig und so aufrecht!
Nochmals 1000 Dank und ganz herzlichen Grüße
Dr. Corinna Laude
Liebe Frau Laude,
Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass die Sie wieder Hoffnung und Freude finden können. Deshalb möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, was mir persönlich in einer ähnlichen Situation geholfen hat. In meiner damaligen Verzweiflung betete ich zum ersten Mal in meinem Leben die folgenden Worte: "Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Diese Frage drückte all das Elend aus, das in mir war.
Als ich danach unter Tränen zur Bibel griff, um aufs Geratewohl einen Psalm zu lesen, stieß ich auf den Psalm 22, der mit den Worten beginnt, die ich selber eben erst ausgesprochen hatte: "Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Ich war wie vor den Kopf gestoßen und eines war mir sofort klar: Dies kann kein Zufall sein. Dieser Psalm gilt jetzt eins zu eins mir und meinem Leben. Und tatsächlich sprachen die Worte mir aus der Seele, ich hätte meine Trauer nicht besser beschreiben können. Als ich im Vers 22 (des Psalms 22) las: "Du hast mich erhört.", wusste ich, dass meine Trauer vorüber war. Seit dem bin ich von einer göttlichen Freude erfüllt, die nicht an die Umstände gebunden ist und dementsprechend oft irrational erscheint. Und dennoch ist sie da. Ganz wie in Philipper 4,7 versprochen: "Dann wird Gottes Friede, der all unser Verstehen übersteigt, eure Herzen und Gedanken bewahren, weil ihr mit Jesus Christus verbunden seid."
Durch meine persönliche Verbundenheit mit Jesus Christus kann ich den verrückten Entwicklungen unserer Zeit ruhig entgegen gehen, auch wenn sie manchmal einschüchtern. Denn ich weiß, dass unser irdisches Leben nur die schmerzhafte Geburt für das wahre Leben in der Ewigkeit bei Gott ist.
Neben Psalm 22 kann ich für die aktuelle Krise auch Psalm 35 und 37 wärmstens empfehlen.
Herzliche Grüße und alles Gute!
@Jonathan:
Da ich Ihnen bereits via Mail geantwortet habe (Sie hatten mich ja auf diesem Wege mit Ihrem obigen Schreiben kontaktiert), werde ich das nun hier kein zweites Mal tun.
Ihnen alles Gute wünscht
Corinna Laude aus dem Witwesk
Sehr gut. Hier werden moralische Maßstäbe gelebt!
Danke dafür
Warum fällt dem Steinmeier sowas nicht ein?
Ich denke, er ist älter und hat nur noch eine Niere und eine transplantierte Ehefrau, das verrückt schon mal die Maßstäbe…
Ich schätze ihn ansonsten eher nicht.
Auch mein Dank gehört dem Bürgermeister,
Schade, dass es nicht viel mehr solcher Menschen mit Rückgrat und Moral in solchen Positionen gibt, die die Menschen versuchen wieder zusammenzuführen, anstatt sie aufzuhetzen und die Gesellschaft zu spalten.
So ein Mann müsste Präsident des Ethikrates sein – dann hätte dieser "Verein" auch wieder eine Daseinsberechtigung.
Hut ab. Das ist eine Aussage/ Ansage die Menschen brauchen.
Guter Mann!
Tatsächlich gibt es aber einen ganz einfachen Weg aus der inszenierten Krise: Aufhören zu testen.
Kann jemand den „offiziellen Link“ zu der oben genannten Verordnung bitte hier posten (ich konnte diesen leider auf die schnelle nicht finden)?
Zitat von oben:
In der Verordnung heißt es:
„Des Weiteren wird nunmehr der Abbau von krankenhaus-planerisch festgesetzten Betten nach Anzahl der Verminderung pauschal gefördert. Ausgehend von einer Bagatellgrenze von bis zu 10 Betten stellen sich die Förderungen wie folgt dar:
11 bis 30 Betten: 4.500 € je Bett
31 bis 60 Betten: 6.000 € je Bett
61 bis 90 Betten: 8.500 € je Bett
Mehr als 90 Betten: 12.000 € je Bett“
@Stickerher: Bei Norbert Häring gibt es dazu heute wohl Genaueres (habe es selbst aber noch nicht angeguckt, muss jetzt arbeiten):
https://norberthaering.de/news/bettenabbau-subvention/
Und die Frage hier gestellt: Gilt in Neuhaus keine Regel 2 oder 3G?Das würde Mut bedeuten. Wörter sind wie ein Windhauch.
Impfen kostet möglichweise Leben oder Gesundheit genau wie eine Infektion mit Corona.
Doch einen entscheidenden Unterschied gibt es: Impfen ist meine Entscheidung, die ich nach Komplikationen mit Sicherheit bereue. Corona will ich natürlich auch nicht, doch wenn ich es bekomme, ist es unveränderbares Schicksal.