Das Blatt ist voll mit Berichten darüber, daß die Coronamaßnahmen in vielen Ländern mehr Schaden als Nutzen anrichten und die meisten Opfer unter den Menschen zu finden sind, die ganz unten gehalten werden auf der sozialen Stufenleiter (Auflistung unten).
Das hindert die Chefetage nicht, täglich neu zu verkünden: Die Regierenden schützen mit dem Lockdown die Arbeiterklasse, wenn es in der Ausprägung auch Mängel gebe. Die sich zur Wehr setzen, sind Verschwörungstheoretiker oder rechts.
Der Geschäftsführer höchstpersönlich greift zur Feder und erklärt:
"Müllhaufen der Geschichte
Überall inszenieren sich Führer gegen die »Coronadiktatur«
Gerade weil eines der wichtigsten Grundrechte das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ist (Artikel 2 Grundgesetz), sollte dem Schutz der Schwächsten und am meisten Gefährdeten die größte Sorgfalt zukommen, haben alle anderen Rücksicht zu üben. Das bedeutet, dass der bürgerlich-demokratische Staat handeln muss, wenn er wenigstens etwas von seinen Pflichten ernst nimmt und sich nicht völlig dem Kapitaldiktat unterwirft."
Es folgen zwei der schlimmsten Verdikte: Protestierende sind "Kleinbürger" und von "Kapitalfraktionen" bezahlt:
"Diverse Kräfte nutzen die vertrackte Situation für ihre Zwecke. Unmut und Angst vieler Bürger (und Kleinbürger) können den Aufbau neuer Bewegungen befördern, ja sogar die Gründung neuer Parteien wird vorbereitet. Organisierte rechte Kreise werben für ihre Idee, dem scheinbar maroden bürgerlich-demokratischen System ihre menschenverachtende, rassistische Variante eines anderen (aber nicht weniger kapitalistischen) Staates überzustülpen. Für alle diese Erscheinungen stehen in den jeweiligen Bürger- und Kapitalfraktionen Geldgeber zur Verfügung. Bis hin zu jenen, die es vorziehen, einen neuen Faschismus zu finanzieren, bevor womöglich sozialistische Alternativen für viele attraktiv werden oder sich gar durchsetzen."
Wer da jetzt wen warum bezahlt, verrät Herr Koschmieder nicht. Er wettert über das Märchen der "angeblich von Bill Gates finanzierte[n] WHO". Das bestätigt zwar selbst die Bundesregierung (s.a. Wer finanziert die WHO?), aber das Feindbild der neuen Querfront von Tagesspiegel und junger Welt braucht diese Figur.
Zu Recht jammert der Autor darüber, daß der "seriöse bürgerliche Journalismus" es dem Blatt nicht dankt, "dass die junge Welt von Anfang an diese Hygienedemos scharf kritisiert hat".
Es findet sich hier und auch sonst in der Zeitung kein Wort zu den verfassungsrechtlichen Bedenken des vormaligen BVerfG-Chefs Papier (s.Verordnungen verfassungswidrig?). Kein Wort zu mehreren wissenschaftlichen Studien, die Alternativen zum gegenwärtigen Notstandsregime diskutieren (s. u.a. Kaum Interesse an Studie). Es stellt sich gar nicht erst die Frage, wie sich eine Linke einbringen müßte in den Kampf gegen Grundrechtseinschränkungen.
Die ganze Hilflosigkeit wird auf den Punkt gebracht in einem Artikel, der unter dem Titel "Distanzlos gegen Coronaregeln" über Demonstrationen am Wochenende berichtet. Völlig zu Recht wird vermeldet, daß an manchen Orten Rechtsradikale versuchten, sie zu instrumentalisieren. Völlig zu Unrecht wird verschwiegen, daß dies meistens nicht gelang. Zum bedeutendsten Fall der rechten Unterwanderung in Gera (s. hier Demos in vielen Städten) wird die folgende hoch-antifaschistische Reaktion gemeldet:
"Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) schrieb zu einem Foto, das Kemmerich in dem Protestzug zeigt: »Abstand halten oder Mundnasenschutzbedeckung? – Fehlanzeige! Vorbildfunktion? – Fehlanzeige!«"
Einige Artikel in der jungen Welt zu den verheerenden Folgen der Coronamaßnahmen aus den letzten Tagen:
Die Zeit drängt (zu Katar), Doppelte Plage (Heuschrecken in Ostafrika), Drogenhilfe schlägt Alarm, Chancengleichheit à la BRD (zu digitalem Lernen), Gesundheitspolitik als Weltpolitik, »Infektionsschutz definitiv nicht gewährleistet« (zu Flüchtlingseinrichtungen)