PANGO! Jetzt ist Lauterbach bei Wünschelruten angelangt

Wie stets liest der Gesundheitsminister eine Überschrift und beginnt seinen Tweet mit "Wichtige neue Studie". Wieder einmal stimmt hier gar nichts, aber derart abseits jeglicher Wissenschaft war er noch nie.

twitter.com (17.6.)

Keine Studie

Bei der zitierten Veröffentlichung handelt es sich um eine "Korrespondenz" von anderthalb Seiten. In ihr wird eine einzige merkwürdige Grafik gezeigt, über deren Zustandekommen ebenso Merkwürdiges berichtet wird:

AutorInnen kommen von einer Ernährungsberatungsfirma

Der Artikel hat fünf VerfasserInnen. Über vier von ihnen ist zu erfahren:

»TDS ist Mitbegründer und Aktionär von ZOE. JCP ist ein Angestellter von ZOE. SO und CS waren als Berater für ZOE tätig. MA erklärt, dass er keine konkurrierenden Interessen hat. Diese Arbeit wird unterstützt ... durch einen Zuschuss an ZOE von der UK Health Security Agency.«

Es handelt sich um die Londoner Firma "ZOE Limited", die auf ihrer Webseite kein Impressum hat, aber mitteilt:

»Unsere Reise begann vor 25 Jahren, als Tim [einer der Verfasser des Artikels, Tim D Spector, AA] seine Studie mit 13.000 Zwillingen begann, in der er Gene, Darmmikroben und Lebensstil untersuchte. Er war überrascht zu entdecken, dass selbst eineiige Zwillinge, die alle ihre Gene teilen, sehr unterschiedlich auf die gleichen Lebensmittel reagieren. Es gibt also nicht die eine richtige Art zu essen - der Schlüssel liegt im Verständnis der eigenen Biologie.

ZOE entstand vor drei Jahren, als Tim sich mit Jonathan und George zusammenschloss, die sich mit künstlicher Intelligenz und Verbraucher-Apps auskennen, sowie mit Ernährungsforschern von führenden akademischen Einrichtungen wie dem Massachusetts General Hospital, dem King's College London, Stanford Medicine und der Harvard T.H. Chan School of Public Health.«

Harvard T.H. Chan School of Public Health und Karl Lauterbach

Es beweist gar nichts, ist aber interessant, daß an besagter Harvard T.H. Chan School of Public Health ein Karl Lauterbach "Adjunct Professor of Health Policy and Management" ist. Die Schule wurde von der US-amerikanischen Milliardärsfamilie mit chinesischen Wurzeln namens Chan für 350 Millionen Dollar gekauft. Das Konstrukt läuft über die Morningside Foundation, die über sich mitteilt:

»Biotech-Risikokapital ist nicht nur eine Anlageklasse in einem Investitionsportfolio. Wir machen Biotech-Ventures, um innovative und erschwingliche Medikamente für Patienten herzustellen. Wenn uns das gelingt, sollten wir uns um den Rest keine Sorgen machen müssen...

Lange vor COVID-19 hat Morningside in Impfstoffe investiert, die einzige medizinische Maßnahme, die in der Geschichte der Menschheit mehr Leben gerettet hat als jede andere Therapie...«

Die Stiftung hat in ihrem Portfolio die Firma VaxEquity:

»VaxEquity
Ein skalierbarer Covid-Impfstoff

VaxEquity wurde gegründet, um das Problem der Herstellung von RNA-Impfstoffen in großem Maßstab anzugehen. Durch die Nutzung der am Imperial College durchgeführten Arbeiten zur selbstverstärkenden RNA ist VaxEquity in der Lage, Impfstoffe herzustellen, die nur ein Fünfzigstel der von anderen Herstellern wie Moderna oder BioNTech benötigten Menge an Material enthalten.

VaxEquity entwickelt derzeit seinen ersten Impfstoff gegen SARS-CoV-2 und hat mit klinischen Studien begonnen, um die Wirksamkeit seines Hauptprogramms zu ermitteln.«

Mehr dazu und zur Rolle von Karl Lauterbach an der Chan School of Public Health ist nachzulesen in "Manchmal haben wir Mist gebaut oder uns dumm angestellt, und wir machen uns keine Illusionen darüber, dass das nicht wieder passieren wird... und wieder."


Zurück zunächst zur Firma ZEO

Sie vertreibt zwei Apps für Apple-Computer, eine davon mit "Wissenschaftlern der Harvard Universität":

appsliced.co

Die zweite ist Karl Lauterbach thematisch ebenso nahe und auch für Android-Geräte verfügbar:

appsliced.co

Deren Daten werden so aufbereitet:

health-study.joinzoe.com

»UNTERSTÜTZT DURCH
ZOE, das Unternehmen für personalisierte Ernährung, unterstützt die ZOE-Gesundheitsstudie derzeit finanziell, während neue Finanzierungsmöglichkeiten erkundet werden, um die Langlebigkeit der weltweit größten bürgerwissenschaftlichen Gesundheitsstudie [citizen science health study] zu sichern.

Die ZOE-Gesundheitsstudie wurde vom August 2020 bis März 2022 durch Zuschüsse des britischen Ministeriums für Gesundheit und Soziales unterstützt. Sie wird von NHS Wales und NHS Schottland unterstützt.«


Noch einmal zur "Studie"

In den wenigen Zeilen der ZOE-MitarbeiterInnen ist zu lesen:

»... In dieser Fall-Kontroll-Beobachtungsstudie wollten wir die relative Wahrscheinlichkeit von Langzeit-COVID (definiert nach den Leitlinien des National Institute for Health and Care Excellence als Auftreten neuer oder anhaltender Symptome vier Wochen oder länger nach Beginn von  akutem COVID-19) im Vereinigten Königreich während des Omikron-Zeitraums im Vergleich zum Delta-Zeitraum ermitteln. Wir verwendeten selbstberichtete Daten aus der COVID Symptom Study app (King's College London Research Ethics Management Application System)...«

Wie es in GB üblich ist, reicht zur Feststellung einer "Erkrankung" ein Antigentest:

»Die Einschlusskriterien für beide Zeiträume waren ein positiver Real-Time-PCR- oder Lateral-Flow-Antigentest auf SARS-CoV-2 nach der Impfung, mindestens ein Log pro Woche in der App für mindestens 28 Tage nach dem positiven Test und keine vorherige SARS-CoV-2-Infektion vor der Impfung.

Wir identifizierten 56 003 britische Erwachsene, die zwischen dem 20. Dezember 2021 und dem 9. März 2022 erstmals positiv getestet wurden und die Einschlusskriterien erfüllten. Diese Fälle werden im Folgenden als Omikron-Fälle bezeichnet, da in diesem Zeitraum schätzungsweise mehr als 70 % der Fälle im Vereinigten Königreich auf die Omikron-Variante zurückzuführen waren. Anhand identischer Auswahlkriterien haben wir 41 361 erwachsene britische Fälle identifiziert, die zwischen dem 1. Juni 2021 und dem 27. November 2021 erstmals positiv getestet wurden und als Delta-Fälle bezeichnet werden, da mehr als 70 % der Fälle auf die Delta-Variante zurückzuführen waren. Es wurden sowohl symptomatische als auch asymptomatische Infektionen berücksichtigt...«

War zuvor noch die Rede von "akutem COVID-19", so sprechen die App-VertreiberInnen hier bereits von "asymptomatischen Infektionen". Die beiden Gruppen wurden pi mal Daumen als mit Delta bzw. Omikron infiziert zusammengestellt.

»Wir haben die Analyse nach der Zeit, die zwischen der Infektion und der letzten Impfung verstrichen ist, in drei Gruppen unterteilt: 3 Monate, 3-6 Monate und mehr als 6 Monate, um ein mögliches Abklingen der Immunität nach der Impfung zu berücksichtigen.

Bei den Omikron-Fällen kam es bei 2501 (4,5 %) von 56 003 Personen zu Long COVID und bei den Delta-Fällen bei 4469 (10,8 %) von 41 361 Personen zu Long COVID. Bei Omikron-Fällen war die Wahrscheinlichkeit für Long COVID bei allen Impfzeitpunkten geringer, mit einem Odds Ratio zwischen 0,24 (0,20-0,32) und 0,50 (0,43-0,59). Diese Ergebnisse wurden auch bestätigt, als die Analyse nach Altersgruppen stratifiziert wurde (Abbildung).«

Ohne Eigenwerbung geht es nicht

»Wir glauben, dass dies die erste von Fachleuten begutachtete [peer-reviewed] Studie ist, die über ein Long COVID-Risiko im Zusammenhang mit einer Infektion durch die Omikron-Variante berichtet. Sie unterstreicht, dass die Gesundheitsüberwachung mit Smartphone-Apps zu schnellen Erkenntnissen führen kann, die, wie wir durchgängig gezeigt haben, genau sind und anschließend repliziert werden können. Eine große Stärke unserer Studie in Bezug auf Long COVID ist die prospektive Symptomerfassung einer breiten Palette von Symptomen. Zu den Einschränkungen der selbstberichteten Daten gehören keine direkten Tests auf infektiöse Varianten (die hier aus nationalen Daten übernommen wurden) und keine objektiven Messungen der Krankheitsdauer. Die Stichproben sind zwar aufgrund von geschlechtsspezifischen und sozioökonomischen Verzerrungen nicht vollständig auf die britische Bevölkerung verallgemeinerbar, doch waren sie in beiden Zeiträumen ähnlich, so dass ein Vergleich möglich ist. Die Daten reichten nicht aus, um die Wahrscheinlichkeit einer Long COVID-Erkrankung bei ungeimpften Personen zu schätzen, und die Auswirkungen auf Kinder wurden nicht geschätzt. Um eine rasche Berichterstattung zu ermöglichen, war der Zeitraum für die Bewertung der Omikron-Fälle etwas kürzer als für die Delta-Variante, und die Bewertung längerer COVID-Dauern (z. B. >12 Wochen) war nicht möglich.«

Auf dieser Datenbasis wagen die im Ernährungsgeschäft Tätigen dieses Fazit:

»Insgesamt ergab sich eine Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Long COVID bei der Omikron-Variante gegenüber der Delta-Variante von 0,24-0,50 in Abhängigkeit von Alter und Zeit seit der Impfung. Die absolute Zahl der Personen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt an Long COVID erkranken, hängt jedoch von der Form und Amplitude der Pandemiekurve ab. Angesichts der hohen Zahl der Omikron-Infizierten im Vereinigten Königreich von Dezember 2021 bis Februar 2022 stimmen unsere Daten beispielsweise mit den Schätzungen des britischen Office for National Statistics überein, wonach die Zahl der Menschen mit langer COVID von 1 bis 3 Millionen im Januar 2022 auf 1 bis 7 Millionen im März 2022 anstieg. Wenn man bedenkt, dass das ZOE-App-Modell für das Vereinigte Königreich am 26. März 2022 einen Spitzenwert von mehr als 350 000 neuen symptomatischen COVID-19-Fällen pro Tag schätzt und 4 % der Fälle lange COVID sind, wird die Zahl der Menschen mit Long COVID in Zukunft unweigerlich steigen

 (Hervorhebungen nicht in den Originalen. Auf die vier Fußnoten wurde hier verzichtet.)

Update: Ich wurde gefragt, woher das "PANGO" in der Überschrift kommt. Es wird erwähnt in dem Tweet und der "Studie". en.wikipedia.org sagt dazu:

»Am 26. November erklärte die Technische Beratergruppe der WHO für die Entwicklung des SARS-CoV-2-Virus die PANGO-Linie B.1.1.529 zu einer besorgniserregenden Variante und versah sie mit dem griechischen Buchstaben omicron.«

5 Antworten auf „PANGO! Jetzt ist Lauterbach bei Wünschelruten angelangt“

  1. Bei Kalle han­delt es sich um einen impf­ideo­lo­gisch trai­nier­ten paw­low­schen Propagandisten und Lobbyisten. Beim Wort "Studie" springt er an und zwit­schert. Ebenso, wenn er der Pharmaindustrie etwas hel­fen kann, ihre erbärm­lich nied­ri­gen Profite zu gewähr­lei­sten. Es sind die Reflexe. Traurig ist nur, dass dafür Menschen qua­si neben­wir­kungs­frei ster­ben müs­sen oder ver­krü­po­pelt werden.

  2. Wenn das Risiko zu "Long Covid" "gera­de für rela­tiv frisch Geimpfte" angeb­lich gerin­ger aus­fällt, dann kann man den Jüngern Lauterbachs ja nur raten, sich nach jedem Pieks mög­lichst schnell die näch­ste Coronainfektion zuzuziehen.
    Was aber noch selt­sa­mer ist: Warum wur­de da nur in drei Gruppen "nach der Zeit, die zwi­schen der Infektion und der letz­ten Impfung ver­stri­chen ist" unter­teilt, die vor Infektion Ungeimpften also weg­ge­las­sen? Weil sich dann bei den Ungeimpften das gering­ste Risiko für "Long Covid" her­aus­stel­len könnte?
    Was sich die angeb­li­chen Wissenschaftler bei sol­chen angeb­li­chen Studien lei­sten, lässt das Vermeiden von Korrektheit immer offen­sicht­li­cher werden.
    Statt in die Medien wür­de es eigent­lich vor die Justiz und in die Müllabfuhr gehören.

  3. Was für eine groß­ar­ti­ge Werk. Per App selbst­be­rich­te­te Einschätzungen mit einem ganz brei­ten Daumen kate­go­ri­siert. Ich habe schon Aufsätze über die Geschlechterrolle bei Hanni und Nanni gele­sen, die sta­ti­stisch aus­ge­reif­ter waren, obwohl kei­ne ein­zi­ge Zahl dar­in vorkam.

    Ich fin­de übri­gens, Herr Lauterbach wäre ein aus­ge­zeich­ne­ter Adjunkt im alten Sinne des Wortes, näm­lich der Gehilfe eines Beamten 😀

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