Wie war das noch… mit der RKI-Studie zur Verbreitung der Coronavirus-Infektion? (II)

Zu diesem Thema wurde hier bereits am 18.7. berichtet. Am 20.5. informierte der SWR so:

»Die Corona-Lage scheint einigermaßen im Griff. Doch die Behörden warnen: Eine zweite Krankheitswelle könnte noch kommen. Um dafür gerüstet zu sein, startete das Robert-Koch-Institut eine Studie...«

Danach habe das RKI auf einer Pressekonferenz vom 19.5. erste Ergebnisse "in rund sechs Wochen" angekündigt. Inzwischen sind 18 Wochen vergangen. Belastbare Ergebnisse wurden noch nicht bekannt. Einem aktuellen Studienprotokoll vom 1.9. ist zu entnehmen, daß Gegen-Checks zum "unvermeidbaren gewissen Anteil falsch positiver Testergebnisse" im Rahmen der Studie vorgenommen werden. Dieses Verfahren wird bei der Bekanntgabe der RKI-Fallzahlen jedoch nicht angewandt.

»In vier besonders betroffenen Gemeinden werden jeweils 2.000 Teilnehmende in einem temporären Studienzentrum mit Untersuchungsbussen oder während eines Hausbesuchs durch einen Rachenabstrich auf eine aktive SARS-CoV-2-Infektion und im Rahmen einer Blutentnahme auf SARS-CoV-2-IgG-Antikörper untersucht...

Durch die Studie CORONA-MONITORING lokal können Aussagen zum Bevölkerungsanteil mit Antikörpern gegen SARSCoV-2 an vier besonders betroffenen Orten getroffen werden. So kann das tatsächliche Ausmaß der Epidemie besser abgeschätzt, Risiko- und Schutzfaktoren für eine Infektion ermittelt und somit auch besonders exponierte Gruppen identifiziert werden, was für die Planung von Präventionsmaßnahmen essenziell ist.«

Teilnehmen sollten nur Personen, die mindestens 18 Jahre alt waren.

»Personen ohne ausreichende Deutschkenntnisse, die demnach die Studieninformation und Einwilligungserklärung nicht mit Gewissheit verstehen, werden von der Studienteilnahme ausgeschlossen. Eine Übersetzung der Studienunterlagen ins Englische und andere lokal relevante Sprachen sowie der Einsatz von Laiendolmetscherinnen und -dolmetschern werden derzeit geprüft...

Die Studienteams bestehen jeweils aus Ärztinnen und Ärzten, Mitarbeitenden mit einer abgeschlossenen Ausbildung in einem medizinischen Fachberuf (Gesundheits- und Krankenpflege, Altenpflege, Medizinische Fachangestellte) und aus Ernährungswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern sowie weiteren Verwaltungsangestellten.«

Drosten hat überall die Deutungshoheit

Interessant sind diese Informationen:

»Labordiagnostik
Für den Nachweis des SARS-CoV-2-Genoms werden zwei verschiedene In-House-PCR-Tests parallel durchgeführt...

Beide SARS-CoV-2-Tests haben unter den verwendeten Bedingungen eine Nachweisgrenze von <10 Genome/Reaktion, weisen also auf der analytischen Ebene eine Sensitivität und Spezifität (Infobox) von jeweils praktisch 100% auf. Bedingt durch das relativ kleine Zeitfenster, in dem bei infizierten Menschen im Rachen Virusmaterial nachweisbar ist, und durch mögliche Handhabungsprobleme bei der Probennahme liegt die tatsächliche Sensitivität des Testverfahrens unter 100%.

Zur Bestimmung von IgG-Antikörpern gegen das neue Coronavirus wird der kommerzielle Labortest „Anti-SARSCoV-2-ELISA (IgG)“ der Firma Euroimmun (Euroimmun Medizinische Labordiagnostika AG, Lübeck) eingesetzt. Der Test wurde von verschiedenen Laboren (u. a. vom Nationalen Konsiliarlaboratorium für Coronaviren an der Charité-Universitätsmedizin Berlin, Prof. Dr. Christian Drosten) validiert und weist mit einer Sensitivität von 93,8% und einer Spezifität von 99,6% gute Testgüteeigenschaften und geringe Kreuzreaktivitäten (Infobox) auf...

Wie bei allen Testverfahren mit einer Spezifität <100% ist – insbesondere bei einer geringen Seroprävalenz in der Bevölkerung – ein gewisser Anteil falsch positiver Testergebnisse unvermeidbar. Daher werden die im ELISA reaktiven Proben im Nationalen Konsiliarlaboratorium für Coronaviren an der Charité-Universitätsmedizin Berlin einem zusätzlichen zellulären Neutralisationstest unterzogen, dessen Ergebnis für die wissenschaftliche Auswertung übernommen wird.«

In der Infobox ist zu lesen:

»Infobox:
Sensitivität, Spezifität und Kreuzreaktivität
Sensitivität gibt an, wie gut ein Test Personen mit SARS-CoV-2-spezifischen Antikörpern richtig erkennt.
Spezifität gibt an, wie gut ein Test Personen ohne SARS-CoV-2-spezifische Antikörper richtig erkennt.
Kreuzreaktivität bezeichnet die Fähigkeit eines Antikörpers, an mehrere Antigene mit ähnlichen Bindungsstellen zu binden. Bezogen auf SARSCoV-2 bedeutet dies, dass ein Antikörper nicht nur an SARS-CoV-2 bindet, sondern möglicherweise auch an andere, in Deutschland verbreitete Coronaviren (z.B. HCoV-OC43, HCoV-HKU1).«

Erkenntnisgewinn zur Ausbreitung der Infektion und zur Entwicklung der Immunität

»Durch die fokussierte Betrachtung von besonders von SARS-CoV-2 betroffenen Orten mit hoher Ausbruchsaktivität ist ein großer Erkenntnisgewinn zur Ausbreitung der Infektion und zur Entwicklung der Immunität in der Bevölkerung unter Berücksichtigung verschiedener Übertragungsdynamiken möglich. So können aus der Studie Informationen zum Beispiel zu Übertragungswahrscheinlichkeiten sowie zu Risikofaktoren für einen schweren Krankheitsverlauf generiert werden, die nicht nur für das lokale Infektionsgeschehen relevant sind.«

Um so verblüffender ist die Tatsache, daß die Studie keine Ergebnisse verzeichnet. Allerdings werden Daten aus zwei der vier Ortschaften an anderer Stelle genannt.

Erst am 25.8. wurden "Erste Eckdaten für Bad Feilnbach" veröffentlicht:

»Ergebnisse

      • Im Verlauf der Studie wurden in Bad Feilnbach keine akuten Infektionen festgestellt.
      • 6,0 Prozent der erwachsenen Einwohnerinnen und Einwohner Bad Feilnbachs hatten positive Antikörper-Nachweise gegen SARS-CoV-2 und haben demnach die Infektion durchgemacht...
      • Asymptomatische Fälle: 14,5 Prozent der Seropositiven (Personen mit positivem Antikörper-Nachweis) waren ohne typische Krankheitssymptome, 85,5 Prozent hatten mindestens eins der Symptome (Fieber über 38° C, Atemnot / Kurzatmigkeit, Lungenentzündung, Schnupfen, Husten, Schmerzen beim Atmen, Halsschmerzen, Geruchs-/ Geschmacksstörung).
      • Dunkelziffer: Durch die Studie wurden 2,6-mal mehr Infektionen nachgewiesen als bislang in Bad Feilnbach bekannt.
      • Antikörper: Bei 39,9 Prozent der Erwachsenen mit positiven SARS-CoV-2-Test (Eigenangaben im Fragebogen) konnten keine Antikörper nachgewiesen werden; dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass keine Immunität besteht.

Methodik

Datenerhebung: 23. Juni bis 4. Juli 2020
Teilnehmende: 2.153 Erwachsene
Stichprobe: repräsentative Zufallsstichprobe aus dem Einwohnermelderegister, Einladung von Erwachsenen freiwillige Teilnahme«

Am 18.9. wurden "Erste Eckdaten für Kupferzell" mitgeteilt:

»Ergebnisse

      • 7,7 Prozent der Kupferzellerinnen und Kupferzeller hatten positive Antikörper-Nachweise gegen SARS-CoV-2 und haben demnach die Infektion durchgemacht.
      • Im Verlauf der Studie wurden in Kupferzell keine akuten Infektionen festgestellt...
      • Asymptomatische Fälle: 16,8 Prozent der Seropositiven (Personen mit positivem Antikörper-Nachweis) waren ohne typische Krankheitssymptome, 83,2 Prozent hatten mindestens eins der Symptome (Fieber über 38°C, Atemnot / Kurzatmigkeit, Lungenentzündung, Schnupfen, Husten, Schmerzen beim Atmen, Halsschmerzen, Geruchs-/ Geschmacksstörung).
      • Dunkelziffer: Durch die Studie wurden 3,9-mal mehr Infektionen nachgewiesen als bislang in Kupferzell bekannt.
      • Antikörper: Bei 28,2 Prozent der Erwachsenen mit positiven SARS-CoV-2-Test (Eigenangaben im Fragebogen) konnten keine Antikörper nachgewiesen werden; dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass keine Immunität besteht.

Methodik

Datenerhebung: 20. Mai bis 9. Juni 2020
Teilnehmende: 2.203 Erwachsene
Stichprobe: repräsentative Zufallsstichprobe aus dem Einwohnermelderegister, Einladung von Erwachsenen freiwillige Teilnahme«

Im Mai startete also das RKI eine Studie, um einer erwarteten "zweite Welle" entgegenzutreten. Bis heute liegt keine Auswertung vor. Es kann spekuliert werden: Das RKI rechnet selbst nicht mit dieser Welle. Oder die Ergebnisse sind nicht so, daß eine weitere Panikmache damit begründet werden kann. Oder das RKI ist schlicht unfähig. Vielleicht gibt es aber auch andere Erklärungen?

 

(Hervorhebungen nicht in den Originalen.)

2 Antworten auf „Wie war das noch… mit der RKI-Studie zur Verbreitung der Coronavirus-Infektion? (II)“

  1. Fakt ist, dass nicht jeder
    Infizierte Antikörper ent­wickelt. Es soll­te end­lich mal unter­schie­den wer­den zwi­schen "kon­ta­mi­niert", " infi­ziert" und "erkrankt".
    Wenn jemand eine klei­ne Virendosis ab bekommt wird die auf Nasenschleimhaut und
    Rächen Schleimhaut befind­li­che IGA damit fer­tig. Es gibt kei­ne Symptome, das Virus kann sich nicht ver­meh­ren und der Betroffene infi­ziert kei­ne ande­ren. Er bleibt sym­ptom­los. Wird die
    IGA der Schleimhäute nicht mit dem Erreger fer­tig, dann kom­men die T-
    Zellen ins Spiel. Es gibt leich­te Symptome, wie Schnupfen und
    Husten. Das Allgemeinbefinden ist nicht wesent­lich beein­träch­tigt. Der Betroffene ist infi­ziert und mög­li­cher­wei­se auch vor­über­ge­hend ansteckend.
    Erst wenn wei­te­re Symptome und Krankheitsgefühl hin­zu kom­men kann man von Krankheit sprechen.
    Neueren Studien aus Tübingen zufol­ge besit­zen über 80% der Menschen, die noch nie Kontakt zum Sars-2-
    Virus hat­ten auf­grund frü­he­rer Infektionen mit ande­ren Coronaviren eine Kreuzimmunitaet. Sie infi­zie­ren sich besten­falls aber wer­den nicht krank.
    Die Antikörper Studien des RKI kann man gtrost in die Tonne tre­ten, denn sie sagen beste nfalls aus, dass der Betroffene infi­ziert war. War er nur kon­ta­mi­niert und ist immun, so wird der Antikörper test das nicht erfassen.

  2. Rein rech­ne­risch hät­ten ja ein paar aktiv Positive dabei gewe­sen sein müssen.
    Was wäre nun, wenn das RKI wäh­rend der Studie bemerkt hat, dass nach dem erwähn­ten "zel­lu­lä­ren Neutralisationstest" aus­schließ­lich falsch-posi­ti­ve PCR-Getestete fest­ge­stellt wurden?
    Vielleicht ja ein Grund für die lei­sen Töne zu der Studie vom RKI.

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